Strategie Internationale Zusammenarbeit

IZA-Strategie 2025-2028: Helvetas und ihre Unterstützer:innen erwarten mehr Engagement

Deutliche Kritik am bundesrätlichen Vorschlag zur Entwicklungszusammenarbeit
VON: Patrik Berlinger - 14. September 2023

Seit Jahren trägt die Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz dazu bei, Leben zu retten und Armut zu lindern. Sie fördert Frieden und unterstützt wirtschaftliche Perspektiven und nachhaltige Entwicklung. Rechenschaftsberichte und Wirkungsanalysen belegen, dass die Schweiz mit ihrer humanitären Hilfe, mit langfristigen Entwicklungsprogrammen und mit der zivilen Friedensförderung beachtliche Resultate erzielt. 

Im Sommer hat der Bundesrat den Entwurf der Strategie für die Internationale Zusammenarbeit (IZA) für die Jahre 2025 bis 2028 vorgelegt und in eine öffentliche Vernehmlassung geschickt. Helvetas hat eine ausführliche Antwort verfasst und den beiden Bundesräten zugestellt, die mit ihren Departementen an der Internationalen Zusammenarbeit (IZA) der Schweiz beteiligt sind. Sie finden die Stellungnahme von Helvetas hier.  

Drei Vorschläge des Bundesrates sorgen für Kopfschütteln 

Helvetas begrüsst, dass die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) des EDA und das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) des WBF an den bewährten Zielen festhalten möchten. Die Ziele lauten menschliche Entwicklung (d.h. Bildung, Gesundheit und menschenwürdige Migration), nachhaltige Wirtschaftsentwicklung (lokale Privatsektor-Förderung und gute Verdienstmöglichkeiten), Klima und Umwelt (Wasser und Ernährung sowie eine gerechte Energiewende) sowie Frieden und Gouvernanz (Demokratie, Partizipation und Gleichstellung).  

Während die thematischen Schwerpunkte und die geographische Ausrichtung im Grundsatz gut sind, kritisiert Helvetas drei Vorschläge im Entwurf des Bundesrats: 

  • Für die richtige und wichtige Unterstützung der Ukraine will der Bundesrat keine zusätzlichen Gelder sprechen, sondern diese bei der bestehenden IZA abzwacken – zu Lasten von armen Ländern. 

  • Der Bundesrat will die dringend nötige Humanitäre Hilfe zwar ausbauen, dies jedoch zu Lasten des langfristigen und nachhaltig wirkenden Entwicklungsengagements. Keine weitsichtige Strategie. 

  • Schliesslich bemängelt Helvetas, dass der Bundesrat immer noch keine Vorstellung davon hat, wie sich die Schweiz ab 2025 stärker an der internationalen Klimafinanzierung (für Klimaschutz und Anpassungsmassnahmen in ärmeren Ländern) beteiligen wird.

Der Effort muss erhöht werden 

Mit der UNO-Agenda 2030 hat sich die Staatengemeinschaft 2015 einen wichtigen Werte-Kompass für eine weltweit gerechte und nachhaltige Entwicklung gegeben. In diesem Jahr ist «Halbzeit». Die Umsetzung der Nachhaltigkeitsagenda ist nicht auf Kurs – weder weltweit noch in der Schweiz. Eine Pandemie, die Klimakrise und der Krieg in der Ukraine sorgen für grosse Rückschritte. 

Aus diesem Grund hat Helvetas im Herbst 2022 einen Appell für globale Gerechtigkeit lanciert. Er richtet sich an Politik, Wirtschaft und Bevölkerung. Viele bekannte Persönlichkeiten sowie über 10'000 Menschen unterstützen den Appell.  

Im Appell fordern wir mehr Einsatz für globale Gerechtigkeit. Konkret erwarten wir mehr Unterstützung für die Ukraine und die humanitäre Hilfe weltweit. Wir fordern mehr Engagement in der weltweiten Hungerbekämpfung und für eine nachhaltige ökologische Ernährungspolitik in der Schweiz. Wir wünschen uns mehr Einsatz für weltweiten Klimaschutz und für Massnahmen in der Anpassung an die negativen Folgen der Erderwärmung. Und wir appellieren an die Verantwortung international tätiger Konzerne in den Bereichen Umweltschutz und Menschenrechte. 

Auf eine kürzlich durchgeführte Umfrage bei den Unterstützer:innen des Appells haben 604 Menschen aus der Deutschschweiz und 179 Menschen aus der Romandie geantwortet. Die Umfrage hat ergeben, dass sich die überwältigende Mehrheit der Teilnehmenden eine deutliche Aufstockung der IZA und zusätzliche Unterstützungsmassnahmen für die Ukraine wünscht. 

Manche Teilnehmer:innen der Umfrage haben ausführlich geantwortet, was sie sich von der Schweiz erhoffen. Sie finden unten ein paar ausgewählte Rückmeldungen der Teilnehmenden:  

 

  • Rudolf Müller «Wichtig ist mir, dass der Jugend und den jungen Erwachsenen in den Entwicklungsländern mit einer guten Berufsausbildung ermöglicht wird, vor Ort zu arbeiten und eine eigene Existenz und Perspektive aufzubauen. Damit stärken sie die Wirtschaft und Entwicklungsmöglichkeiten in ihrem Land, was letztlich zu weniger Not und Armut vor Ort führt. Hoffentlich bleiben dadurch dem Land die jungen und fähigen Menschen erhalten, um den Menschen in ihrer Heimat und in ihrer Kultur ein gutes Leben zu ermöglichen.» 
  • Margareta Pfändler: «Unser Wohlstand ist nur zum Teil selbstverdient. Ein bedeutender Teil geht auf Kosten der ärmeren Länder. Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe auszubauen sollte selbstverständlich sein. Gewinnoptimierung nicht nur den Reichsten der Schweiz ermöglichen, sondern auch den Ärmsten der Welt. Wie das Lied von Mani Matter schon sagt: "Dene wos guet geit, giengs besser, giengs dene besser wos weniger guet geit..."» 
  • Andrea Ramisberger: «Bei der Entwicklungszusammenarbeit müssen Vermeidung von Korruption und Stärkung der Zivilgesellschaft berücksichtigt werden. Die "Hilfe" soll lokale Initiativen nicht überfahren, sondern unterstützen. Gleichzeitig sollen Überkonsum bei uns, Überbeanspruchung von Ressourcen, ungerechtes Profitieren von schädlichen Steuerpraktiken (die Schweiz als Steuerparadies) etc. reduziert werden. Es kommt weniger darauf an, mehr zu geben, als weniger zu nehmen.»
  • Maud Krafft: «La Suisse doit renforcer son aide internationale. L'aide humanitaire ne doit pas être renforcée au détriment de l'aide au développement. Cette dernière doit se concentrer dans des zones prioritaires (Afrique) et sur l'accès à l'éducation, la santé, l'alimentation et l'énergie, la gestion durable des ressources naturelles dont l'eau et la création d'emplois.»

  • Harald Kraus: «In der Zukunft werden die globalen Herausforderungen für die Menschheit nur global gelöst werden können. Und zwar kooperativ, solidarisch und im Bewusstsein, dass die Menschheit, Tiere und Pflanzen, das gesamte Ökosystem Erde, eine Einheit bilden. Unser gemeinsames Überleben, unsere Zukunft, die wir alle gemeinsam glücklich und zufrieden gestalten können, liegt in unseren Händen. Handeln wir deswegen alle gemeinsam in diesem Bewusstsein.» 

PS: Mit Verweis auf die breite Unterstützung durch die Bevölkerung werden wir die Erwartungen des Appells sowie unsere Forderungen in der Stellungnahme zum Entwurf der IZA-Strategie im Rahmen der anstehenden Parlamentsdebatten über das globale Engagement der Schweiz einbringen.